GRUNDSATZDEBATTE

HEILMITTELÖKONOMIE UND HYPERTONIE TEIL II

EINWÄNDE - HEILMITTELÖKONOMIE - PROJEKT ACE HEMMER-IM BURGENLAND

VORSCHLÄGE FÜR EINE DIFFERENZIERTE LÖSUNG DER ANSTEHENDEN PROBLEME AUS DER SICHT DES ÖSTERREICHISCHEN HAUSÄRZTEVERBANDES

Nationale und internationale Fakten

1. Es hat in den letzten beiden Jahren 1998/99 starke Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich gegeben und wird sie mit fallender Tendenz auch im Jahre 2000 geben.
2. Diese Ausgabensteigerungen waren allerdings Rebound-Phänomene auf in den Jahren 1995 und 1997 erfolgte Interventionen (Großhandelsspannensenkung und Preisspannensenkung). Wenn man vom Jahr 1994 mit einer Kostensteigerung von ca. 8 % ausgeht, ergeben sich:
Ein Absenkungseffekt: 1995 ca. 3 % - 1996 ca. 2 % - 1997 ca. 5 %
Ein Reboundeffekt: 1998 ca. 5 % - 1999 ca. 4 %
Derartige Rebound-Phänomene auf vorausgegangene Interventionen finden sich übrigens in vielen Beispielen darstellbar - quer durch ganz Europa.
3. Mit diesen Ausgabensteigerungen liegt Österreich etwa 0,5 Prozentpunkte über dem langjährigen Durchschnitt Europas. Allerdings lag Österreich schon 1989 und ebenso 1999 noch immer im Pro-Kopf-Mengenverbrauch deutlich unter dem Europäischen Durchschnitt. In Frankreich wurden 2,3 Mal so viele Packungen abgesetzt wie in Österreich (20,5 Pkg. Ö vrs. 48,8 Pkg. Fra). In Standard Units betrachtet ist es etwas weniger, nämlich 1,85 Mal so viel (881 U Ö vrs. 1634 Fra). Im Jahre 1999, in dem Österreich und mit ihm die meisten europäischen Länder seine höchste Wachstumsrate erzielte (11,92 %), verzeichnete Frankreich ein Wachstum von 4,61 %. Es scheint also auf einem bestimmten Niveau Sättigungserscheinungen zu geben, allerdings würde das für Österreich eine Verdoppelung seiner Mengenkomponente bedeuten. In einer jüngst veröffentlichten Vergleichsstudie europäischer Länder, insb. unter dem Gesichtspunkt „freie Zugänglichkeit zu Gesundheitsleistungen für die Bevölkerung“ schnitt Frankreich am besten ab. Österreich belegte den 9. Platz. Es scheint also, dass eine breitere und modernere Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten nicht unbedingt ein Disqualifikationsausweis ist. (Als Beispiel für die modernere Versorgung mit Medikamenten sei angeführt: Die AT-II-Antagonisten belegten in Frankreich 1998 unter den wachstumsstärksten Arzneimitteln bereits den 3. Platz, in Österreich den 7. Platz. Die Ulcus-Therapeutika waren in Frankreich bereits auf den 8. Platz zurückgefallen, in Österreich hatten sie gerade den 2. Platz erobert, nachdem wir sie Jahre vorher durch Verschreibungs-Restriktionen behindert hatten. Eine Vorgangsweise, die wir z.B. jetzt wieder etwas modifizierter gegenüber den AT-II-Antagonisten praktizieren. Wir tun dies am Ende des Jahres 2000.) In Folge ihrer geringen Personalintensität werden Medikamente auch absehbar das billigste Gesundheitsleistungsangebot an den einzelnen Menschen bleiben. Sie sind daher von größter demokratiepolitischer Bedeutung im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit, weil viele um nicht zu sagen alle Menschen, also und insbesondere die sozial Bedürftigen, auf hohem medizinischem Niveau versorgt werden können. Medikamente haben die größte Breitenwirksamkeit in der Bevölkerung. Dies ist auch ablesbar an den jeweils höheren und höchsten Pharmaquoten der gerade ärmsten Länder Europas.
Bewusste und unbewusste Rationalisierungs- und Rationierungselemente werden sich genau gegen diesen breitenwirksamen Sozialaspekt richten.
Konsequenz: Österreich hatte und hat immer noch einen verstärkten Nachholbedarf bei Medikamenten gegenüber Europa. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch im medikamentösen Versorgungsdefizit (gemessen am Gesundheitsziel Hypertonie) wider, wie es von den Kollegen Heindl und Bidner unter dem Titel „Heilmittelökonomie und Hypertonie im Burgenland“ vorgestellt wurde.
4. Von der Umsatz-Steigerung bei Medikamenten im Jahre 1999 entfiel auf das Wachstumselement „Struktur-Veränderungen“ von gesamt ca. 12 %: 10,6 % also fast alles auf dieses Element.
Struktur-Veränderung bedeutet:
Substitution einer alten Marke durch eine neue (jedoch ohne neuartigen Wirkstoff)
Reine Mengenänderung (erhöhte Nachfrage insgesamt, aber besonders auch erhöhte demographisch strukturelle Nachfrage) infolge der immer älter werdenden Bevölkerung.
Beispiel: ab 50 Jahre steigt der Packungsverbrauch in der Bevölkerung deutlich. Die
Gruppe der über 90jährigen verzeichnete eine Steigerung der Packungszahlen um
satte 40 % von 1998 auf 1999.
5. Österreich liegt in seiner Pharma-Quote unter dem europäischen arithmetischen Durchschnitt, und das heißt weit unter den Ausgaben von Kleidung, aber auch für kosmetische Produkte.
6. Die heimischen Pharma-Ausgaben wuchsen in den vergangenen Jahren im vergleichbaren Ausmaß wie die Gesundheitsausgaben, d.h. die Pharmaquote blieb seit 1989 nahezu konstant. Prinzipiell stiegen die Pharmaausgaben sogar schwächer als die Gesundheitsausgaben.
7. Die Preisentwicklung des Pharmamarktes ist über die lange Periode betrachtet (12 Jahre) konstant bis leicht rückläufig. Lohnkosten und Preisniveau sind aber in dieser Zeit insgesamt deutlich gestiegen, damit stiegen aber die Kosten für Industrie und Handel bei gleichzeitig sinkendem Umsatz.
8. Der wesentlichste Anteil am Preis der Medikamente, der den Durchschnittspreis etwas über EU-Niveau hebt, ist die in Österreich auf Medikamente erhobene Mehrwertsteuer (nur Dänemark hat eine höhere).
Burgenländische Fakten

1. Das Burgenland hat gegenüber Gesamt-Österreich und gegenüber dem in Hinblick auf Pharma-Ausgaben Musterschüler Oberösterreich (daher Referenz-Bundesland) folgende demographische Abweichungen: minus 0,3 % - minus 1,8 % - minus 1,0 % in den Altersgruppen der Bevölkerung gegenüber Österreich: bis 14/ - bis 34/ - bis 54; gegenüber OÖ: minus 1,8 % - minus 2,9 - 0 %. In der Bevölkerungsgruppe bis 74 und mehr als 75 sind Abweichungen gegenüber Österreich: plus 3,2 % - 0 %, gegenüber OÖ: plus 3,7 % - plus 0,9 %. Konsequenz für die Zukunft: weniger Beitragszahler im Burgenland, deutlich höhere Versorgungserfordernisse der Burgenländischen Bevölkerung aus dem Faktor Überalterung.
2. Die Tatsache, dass das Burgenland die höchste Heilmittel-Kopf-Quote in Österreich hat, ist daher keineswegs verwunderlich. Wie KA Dr. Grafl zeigte, bedeutet die unterschiedliche Altersverteilung für die von der BGKK betreute Bevölkerungsgruppe einen Mehrverbrauch von 1,13 Pkg. pro betreuter Person und Jahr. Im Weiteren spielen neben der schon erwähnten Altersstruktur in der Beurteilung der Heilmittel-Kopf-Quote auch die Anzahl der je Versicherten zu betreuenden Personen eine Rolle. Auch hier gibt es einen signifikanten Unterschied zu Ungunsten Burgenlands gegenüber Österreich. Dazu kommt eine ungünstige Struktur der Erwerbstätigen (Arbeiter/Angestellten-Verhältnis). Eine höhere Arbeiterrate bedeutet eine höhere Morbiditätsrate und damit höhere Ausgaben. Zuletzt gibt es auch bestehende Sondervereinbarungen mit dem Krankenanstaltenträger, wonach die BGKK Medikamentenaufwendungen ambulanter Patienten (Hämodialyse) in den Krankenanstalten übernimmt. Dies ist im Rest Österreichs nicht so.

Dr. Grafl weist darauf hin, dass ein Rückschluss auf die relativen Veränderungen der Ausgaben aus den erhobenen Daten nicht möglich seien.

Wir legen natürlich selbst höchsten Wert auf eine klare Berechnungsgrundlage und einem daraus hervorgehenden Ergebnis. Wir werden ein solches, an dem wir parallel zu Dr. Grafl mit Experten selbst rechnen, bei Vorliegen publizieren. Bis dahin sei aber trotzdem ein spielerischer spekulativer Ansatz erlaubt.

Wir gehen von 1,13 Pkg. pro betreuter Person und Jahr aus. Wir unterstellen, dass nur ein Drittel der Landesbevölkerung medikamentöse Hilfe in Anspruch nimmt. In den anderen zwei Drittel sind die Pendler, die anderen Kassen und nicht-medikamentöse-Hilfe-in-Anspruch-nehmende-Bevölkerung enthalten. Auf diese Weise ergibt sich ein Mehrbedarf von 105.407 Pkg. Prozentuell sind das 4,82 % der Gesamtpackungssteigerung von 1998 auf 1999. Von insgesamt 8,6 %. Daraus resultiert eine bereinigte Steigerung von 3,78 %, bei den Kosten von 9,49 %. Damit wäre das Burgenland auch ohne die sonstigen oben angeführten zusätzlich ungünstigen Faktoren das im Packungs- und Kostenwachstum günstigste Bundesland.

Aus den Medikamentenverordnungszahlen und ihrer Abweichung in den Jahren 1998 und 1999 ergibt sich auch, dass eine vordergründig als Optimierung argumentierte Medikamentenrationalisierung von der Ärzteschaft als allgemeiner Rationierungsdruck empfunden wird und auch in diese Richtung beantwortet wird. Der Schritt zu einer qualitativen Unterversorgung ist damit nur mehr ein kleiner.

Dazu ein Beispiel:
Die PPI weisen eine Steigerung in 100 % auf. Logischer Weise sinken die
H2-Blocker leicht im einstelligen Prozentbereich. Nicht verständlich am State-of-Art gemessen, aber steigen die Antacida im Bereich von 30 %. Hier könnte schon eine noch leicht, aber doch erkennbare Tendenz weg von einer kausalen in eine billigere, aber gefährliche symptomatische Therapie sichtbar werden. Diese Tendenz tritt aber in dem mit Medikamenten-Projekten arbeitendem Land Oberösterreich bereits allzu überdeutlich zu Tage. Nicht nur sinken die PPI-Verordnungen dramatisch, sondern auch die H2-Blocker sinken und die Antacida auch. Ja sind, muss man fragen, in Oberösterreich der Kollegenschaft die Hyperaciditäts-Kranken abhanden gekommen?

Folgerungen aus den nationalen und internationalen Daten durch Prof. DDr. Werner Clement und Markus Fiala (industriewissenschaftliches Institut) unter dem Blickwinkel „Gesamtbetrachtung des Gesundheitswesens“:

1. Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen, wie z.B. zwischen Pharmaausgaben und Ausgaben für den stationären Bereich müssen berücksichtigt werden. Hohe Pharmaausgaben ersparen u.U. (insofern sie die richtige Therapie darstellen) noch wesentlich höhere stationäre Kosten. Arzneimittel können den Ausbruch vieler Krankheiten verhindern bzw. abschwächen und fördern den Heilungsverlauf maßgeblich.
2. Im Normalfall ist der Arzneimitteleinsatz im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden der günstigste, da er den geringsten Personalaufwand - und somit die geringsten Personalkosten, die den Hauptanteil bei den anderen Kostenbereichen darstellen - hat.
3. Die Pharmaausgaben wachsen im Prinzip ähnlich stark wie die Gesundheitsausgaben. Staatliche Eingriffe lösen jedoch Zyklen aus und bewirken starken Schwankungen um den langfristigen Trend.
4. Indirekte Effekte auf die Lebensqualität, Arbeitskraft etc. sind zu berücksichtigen.
5. Das Ausgabenwachstum im österreichischen Gesundheitswesen ist normal für die wohlhabenden westlichen Industriestaaten und liegt in der Beschaffenheit von Gesundheit als „superiores Gut“ begründet.
6. Das Umsatzwachstum der europäischen Arzneimittelmärkte wird überwiegend durch Strukturveränderungen bedingt. Allerdings geht ein erheblicher Teil der Nachfragesteigerungen, die in den Strukturveränderungen enthalten sind, auf die Zunahme des Anteils der älteren Bevölkerung zurück. Etwaige Maßnahmen zur Reformierung des Gesundheitswesens sollten diese Aspekte berücksichtigen. Ansonsten läuft man Gefahr, die Gesundheitsversorgung und damit auch die Gesundheit der Bevölkerung - durch kurzfristige Sanierungsversuche zu gefährden.

Folgerungen Dr. Heindl, Dr. Bidner für die burgenländische Situation:

1. Die Hysterie, die rund um die Medikamentenausgaben erzeugt wird und die Rolle des Sündenbocks, die den Pharmaka und damit der Pharmazeutischen Industrie und der verschreibenden Ärzteschaft zugewiesen wird, ist unberechtigt und kann damit nur von den wirklichen Problemen ablenken. Jeder Aktionismus ist daher fehl am Platz. Umfassende, komplexe und differenzierte Überlegungen zur Struktur des gesamten Gesundheitswesens wären zielführender. Leider hat sich die Ärzteschaft aus falsch verstandener Solidarität in das vordergründige aktionistische Gehabe durch unterschiedliche vertragliche Regelungen, die Einkommenszuwächse direkt oder indirekt über Neueinführung von Leistungen aus eingesparten Pharmawachstumsprozenten versprachen, einbinden lassen. Jetzt hat sie damit ein konkretes Interesse diesen Aktionismus mit Rationalisierungen sonder Art mitzumachen. Der Titel des Projektes „bessere Therapie zu einem besseren Preis“ bei gleichzeitiger Kenntnis der Fakten (Nachholbedarf, demographische Logik) lässt das Ziel die intendierte Senkung der Pharmaausgaben bzw. ihres jährlichen Wachstums zu erreichen, völlig unmöglich erscheinen. Gleichzeitig wird aber eine ungeheure Erwartungshaltung in der Politik und Gesellschaft gefördert, deren spätere Frustration auf das Gesundheitswesen insgesamt wieder lähmend einerseits wirken und kurzsichtigen, fraktionierten Aktionismus andererseits hervorrufen wird.
2. Damit wollen wir und können wir auch nicht leugnen, dass im geplanten Aktionismus eine gegebene Einsparungsmöglichkeit durch Originalpräparat substituierenden billigeren Generica-Einsatz möglich ist.
3. Wir unterstützen daher die Absicht der BGKK den Generica-Anteil unter den verordneten Präparaten zu steigern und wenden uns nur strikt gegen die bewusst eingesetzte Suggestion damit wären Gesamt-Einsparungen zu erzielen.
4. Wir empfehlen der Sozialversicherung das international erfolgreichste Modell „Dänemark“ bzw. mit etwas Abstand „Niederlande“ nachzuahmen. Dieses Modell setzt den Apotheker und Patienten in den Mittelpunkt eines Konzepts aus Anreizen und Sanktionen und nicht den Arzt. Abgesehen vom hochkantigen Erfolg, den dieses marktwirtschaftlicher Logik folgende System schon gezeitigt hat, bliebe der Ärzteschaft eine weitere Mehrung ihrer Zielkonflikte erspart. Dieses Modell erlaubt dem Arzt nach dem indikationspassendsten Medikament zu suchen. Das Substitutionsverbot des Apothekers wurde aufgehoben. Der Arzt aber hat die Möglichkeit, wenn es ihm bei einer individuellen Verordnung notwendig erscheint, ein solches Substitutionsverbot für den Apotheker wieder auszulösen. Der Patient kann sich frei entscheiden, hat also als mündiger Patient die Wahl, das ihm für ein Originalpräparat ersatzweise durch den Apotheker angebotene Medikament abzulehnen. Er muss dann aber eine etwas höhere Rezeptgebühr in Kauf nehmen. Akzeptiert er aber das billigere aber wirkstoffgleiche Genericon wird er mit einer reduzierten Rezeptgebühr belohnt. Der Apotheker wird zur Informationsdrehscheibe für den Patienten im Hinblick auf einen vernünftigen wirtschaftlichen Einsatz von Medikamenten und damit in einer adäquaten Art und Weise in Ergänzung zum Arzt Gesundheitsberater, der er so gern sein will. Über die Einbehaltung eines Teils der Spanne zwischen Original-Präperat und billigstem Genericon in der Höhe eines Drittels wird der Apotheker für diese Informationsarbeit belohnt. Der Erklärungsaufwand des Arztes reduziert sich auf die Frage des Patienten: „Herr Doktor gibt es einen Grund auf das Originalpräparat zu bestehen?“ Wenn nicht, ist der Patient frei in seiner Entscheidung neben dem Medizinischen auch seinen wirtschaftlichen Nutzen zu suchen und auch zu finden.
5. Es ist daher erforderlich im Einvernehmen mit der BGKK die schon angesprochenen, die Ärzteschaft über kurz oder lang kompromittierenden vertraglichen Medikamenten- Einsparungsvereinbarungen mit direkter oder indirekter Auswirkung auf ihre Honorare, zu korrigieren. Damit würde sich die Ärzteschaft von ihrer gutgemeinten, aber in die Zukunft projiziert kontraproduktiven Interessensbindung in dieser Problematik entkoppeln.

Wir schlagen daher das Nachdenken und Erarbeiten von Lösungen in folgenden Punkten vor:

Punkt 1: Optimale Preisgestaltung durch den Hauptverband mit Verbilligung des Einzelmedikamentes durch Mengenausweitung entsprechend des Bedarfes mit dem Ziel billige Medikamente (nämlich Medikamente zum Kassenpreis) auch für die private Nachfrage in der Patientenschaft im Sinne des primärpräventiven Einsatzes von Medikamenten sicher zu stellen. Damit wäre möglich eine schon jetzt bestehende Zweiteilung der Zuständigkeiten der KV-Trager offen nach außen sichtbar zu machen und Anpassungen der Patienten sinnvoll möglich zu machen. Die Soziale Krankenversicherung bekennt sich zu einer zumutbaren Unterstützung des primär-präventiven Medikamentenbedarfes, der ein Massenbedarf ist. Z.B. indem sie dem freiwillig dazu entschlossenen Patienten das benötigte primärpräventive Medikament wenigstens zum Kassenpreis beziehbar macht oder einen darüber hinaus zusätzlichen Fixbetrag zur Verfügung stellt. Sie öffnet das fixe Preisband zwischen Original-Präperat und dem billigsten Genericon, sodass mehr Generica-Anbieter am Markt Platz und damit Überlebens-Chancen bekommen. Sie verlässt sich auf den etwas später, dafür aber viel wirkungsvoller eintretenden Spareffekt durch den Markt, als auf die gleich zu lukrierenden, aber eben mickrigen Effekte eines monopsonistisch agierenden Preisbildungssystems.

Punkt 2: Hereinnahme des mündigen Patienten in die Gesamtverantwortung des Gesundheitssystems, und zwar als Kontrollor erbrachter ärztlicher Leistungen, sowie aller durch die Partner erbrachten Leistungen, als Mitsteuerer in der Verteilung finanzieller Ressourcen innerhalb des Systems durch maßvolle und die individuelle soziale Lebenssituation des Einzelnen berücksichtigende Selbstbehalte. Z.B. Heilmittel (Rezeptgebühr) mit fixem Prozentsatz vom Preis eines Medikamentes abhängig, Hilfsmittel-, Arzt-, Ambulanz-, Krankenhaus-Selbstbehalt und zwar durchgehend, einkommensabhängig gestaltet. Belastungen dieser Art sind über ein Jahr für den einzelnen Patienten mit einer fixen Höchstbelastung zu begrenzen. Die aus diesem Punkt scheinbar drohende Verwaltungsaufwands-Vermehrung könnte elegant mit Hilfe des geplanten Chipkartensystems völlig anonymisiert und individualisiert durch direkt über den Chip mögliche Berechnungen ohne Mehraufwand ausgeführt werden. Dabei könnten verträgliche Selbstbeteiligungen einkommensabhängig von 4 bis 40 % problemlos berechnet werden (siehe Ausführungen Dr.Dipl.-Kfm.Dipl.Ing. Franz Kohmaier). Dem auf diese Weise individuelle Belastung und damit Eigenverantwortung übernehmendem Patienten wäre durch eine Mehrwertsteuersenkung für Medikamente und andere steuerliche Anreize entgegenzukommen. Für die notwendige Unterstützung des Patienten, seine Kontrollfunktion ausüben zu können gegenüber allen Partnern im Gesundheitssystem hat die oberste politisch verantwortliche Funktionsebene zu sorgen. Für die Unterstützung zur Leistung von Selbstbehalten im System könnten kreative Angebote aus der privaten Versicherungswirtschaft ergänzend genützt werden. Dies um so mehr als Vorausplanungen im Hinblick auf kostenmäßige Belastungsspitzen im Erkrankungsfall jahrzehntelang möglich sind [Beispiele: Spitzenmedizin-Leistungen, chronische Erkrankungen mit entsprechender Mengenrelevanz (etwa ab dem 40. Lebensjahr), ausgeprägte Multimorbidität (etwa zwischen 60 und 80 Jahren) und schließlich die letzten Wochen vor dem Tod.] Für die nachkommenden Generationen ist also von Geburt weg eine Heilmittel-, Arzneimittel-, Hilfsmittel-, Spitzenmedizin- und Terminalspitzenverbrauchsversicherung mit zumutbaren geringen, kontinuierlichen Beiträgen verpflichtend einzurichten mit Negativ-Steuer-Ausgleich für die sozial Bedürftigen. Die auf diese Weise angesparten Beträge stehen, sofern sie der Besitzer aufgrund eines wohlmeinenden Schicksals nicht oder nicht völlig verbraucht, seinen Nachkommen oder sonstig Begünstigten zur Verfügung. Der Staat behält sich nur vor zu den sonstig bestehenden Besteuerungen von Nachlässen einen zusätzlichen kleinen Betrag einzubehalten zum Ausgleich seiner Negativ-Steuer-Erfordernisse. Der vorsorgende Patient kann also sicher sein, dass sein Geld nicht in einem undurchschaubaren Versicherungs-Moloch unter dem Titel „Solidarität“ versickert. In jedem Fall muss aber sicher gestellt sein, dass jeder Mensch als unverzichtbaren Beitrag seiner Humanität aufgefordert sein muss, einen sozial zumutbaren, weder staatlich noch privat finanzierten Anteil selbst zu tragen.

Punkt 3: Ärztliche Optimierung der Indikationsstellung für den Einsatz und die Dauer der Einnahme von Medikamenten. Wobei kein Zweifel bestehen darf, dass aufgrund der herausragenden Qualität neuer Arzneimittel und des dokumentierbaren Nachholbedarfes aufgrund einer medikamentösen Unterversorgung der Bevölkerung die Gesamtkosten dafür ansteigen werden. Dies ist eine Anforderung an das Aus- und Fortbildungsprogramm der Mediziner. Dafür sind ihm Organisationsstrukturen zugänglich zu machen, die ihm den effizienten Einsatz von Medikamenten und Diagnostik im Sinne eines Erkrankungsmanagements erleichtern. Selbstverständlich müssen derartige Organisationsstrukturen praxistauglich und praxiserprobt sein. Beispiel: EDV-Software Unterstützung (individuelles Hochdrucktherapiemanagement). Dies bedeutet, dass sich Software-Hersteller mehr an den medizinischen Bedürfnissen ihrer Anwender, als an den Abrechnungsbedürfnissen der Sozialversicherung orientieren müssen. An dieser Stelle ist auch das Nachdenken über „Pauschalhonorierungs-Modelle“ freizugeben. Sie würde die EDV-Abrechnungs-Zentriertheit der Anbieter gegenüber den medizinischen Dokumentations-Anforderungen ihrer Anwender deutlich reduzieren. Die in Pauschalsystemen reduzierten Abrechnungserfordernisse, und die daraus resultierende Reduzierung des Verwaltungsaufwandes könnte auch eine Reintegration der Abrechnung in die Kammer erleichtern. Pauschalhonorierungs-Modelle würden auch und insbesondere den Druck auf Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in konkret praktikabler Form erhöhen. Da nur auf diese Weise dem verständlichen Kontrollbedürfnis der Sozialversicherungsträger Rechnung zu tragen ist.

Punkt 4: Effiziente, sparsame Einstellungsmöglichkeiten für den Arzt (kleine Einstellungspackungen), Etablierung eines Pfandsystems (Anreize schaffen subjektiv oder objektiv nicht vertragene Medikamente wieder zurückzugeben und dafür belohnt zu werden mit einfacher Neuverpackungsmöglichkeit und Neuabgabemöglichkeit auf der Ebene Hausapotheken und Apotheken).

Punkt 5: Klare im Beipackzettel insb. chronischer Medikationen angeführte Anweisungen für den Patienten mit dem Medikament effizient umzugehen, z.B. genau angeführte Laborkontrollen, ärztliche Kontrollen, Diagnostiknotwendigkeiten im Verlauf der Zeit.

Punkt 6: Etablierung funktionierender Wechselwirkungssysteme systematisch abfragbarer Kontraindikationskriterien - EDV gestützt (z.T. schon verwirklicht), automatische Erinnerung an Labor und diagnostische Untersuchungsnotwendigkeiten im Verlauf der Zeit.

Punkt 7: Vermeidung von Doppelbefundungen und -untersuchungen jeglicher Art mit Ausnahme einer mit kleinem Selbstbehalt zulässigen Einholung einer Second-Opinion durch ein Befund-Gate-Keeping des koordinierenden und die Archiv-Funktion innerhalb des Systems innehabenden Arztes für Allgemeinmedizin.

Punkt 8: Erstellung von sinnvollen Screening-Programmen im Laborbereich als Vorsorgebefriedigung diesbezüglicher Patientenwünsche mit klarer Festlegung sinnvoller Zeitabstände solcher Screening-Programme. Darüber hinaus sollte aber jede freie Vereinbarung mit dem Patienten möglich sein. Der Patient sollte aber die Möglichkeit haben sich über den Sinn ihm vorgeschlagener Screening-Verfahren von unabhängiger Stelle Informationen zu beschaffen. Vor jeder privaten Durchführung eines solchen Screening-Programmes ist der Patient auf die Existenz solcher unabhängiger Informationsträger hinzuweisen.

Punkt 9: Erstellung von Guide-Lines für die Indikationsstellung von Operationen aller Art. Seminarvorbereitungen für Allgemeinmediziner als kompetente Entscheidungsfindungshelfer für die Patienten. Qualitätskontrollen der operierenden Stellen und Veröffentlichung der Ergebnisse.
Punkt 10: Keine diagnostischen Untersuchungsgänge ohne an Ort und Stelle und während der Untersuchung durchführbarer Therapiekonsequenzen aller in Frage kommender Arten.

Punkt 11: Etablierung von Gemeinschafts-Arbeitsformen von Ärzten unter Beibehaltung eines zentralen Ansprechpartners für alle Patienten entsprechend der derzeitigen Einzelarztversorgung des Patientenkollektives. Die anderen Teilnehmer einer Gemeinschaftsform sind ergänzend um diesen einen alle Information für den Einzelpatienten integrierenden die Koordinationsfunktion innehabenden Arzt gruppiert und das alles im Längsschnitt der Zeit.

Punkt 12: Neudefinition der Rollen aller ärztlichen Ebenen mit dem Ziel ein effektives und damit kostensparendes Versorgungssystem im Sinne eines Netzwerkes für den Patienten zu schaffen. Es soll dabei besonders beachtet werden, Unvereinbarkeiten innerhalb der Rollen zu vermeiden, um Zielkonflikte nicht entstehen zu lassen, sondern das Erreichen eines effektiven Gesamtzieles möglich zu machen, selbst auf die Gefahr hin, dass dies auf den ersten Blick etwas teurer erscheinen könnte als ein in inneren Widersprüchen verheddertes scheinbar zentralistisch besser kontrollierbares derzeit existierendes System bei neurotischer Fixierung auf vordergründige Kosten.

Punkt 13: Es wäre die Idee zu prüfen, die ungeheure wirtschaftliche Dynamik und den unzweifelhaften Erfolg einer globalisierten pharmazeutischen Industrie aktiv und elegant zu nützen, in dem man Teile der Rücklagen der KV-Träger, sicher, in die Aktien dieser Firmen investiert und die daraus erzielten Gewinne zur Reduzierung der Pharmaausgaben nützt, und das nicht ein Mal, sondern jährlich ein Mal.


Punkt 14: Es sollte der Phantasie freier Lauf gelassen werden, Anreize und Anreizsysteme zu entwickeln, die den Patienten erfolgreich motivieren können, seinen Lebensstil zu ändern. Das kann aber nicht anders als in einer strukturierten für jeden Einzelnen praktisch erlebbaren Form geschehen, wie am Beispiel von Rehabilitationszentren erfolgreich vorgeführt.

Punkt 15: Alle Partner im Gesundheitswesen könnten sich darauf verständigen als Förderer oder/und auch als Teilnehmer zusammenzuwirken. Einzelne, aber auch schon existierende institutionelle Einrichtungen zu ermutigen, neue, der Reflexion, der tieferen Sinnsuche im Leben, verpflichtete Ziele für die Zivilgesellschaft zu formulieren und diese Gesellschaft neu dafür zu gewinnen - als Alternativangebot zur weit gediehenen, kritiklos konsumistischen Fun-Gesellschaft. Ohne neuen Gesellschaftskonsens im Sinne einer derartigen geistigen Neuorientierung in allen Teilen einer Gesellschaft wird die Erwartung einer Lebensstiländerung, um Erkrankungen zu verhindern oder ihren Verlauf kostengünstiger zu gestalten, Illusion bleiben. Daher sind Vorschläge dem Österreicher auf Rezept Lebensstiländerungen zu verschreiben, nur geeignet die Ärzteschaft lächerlich zu machen, obwohl ich dem Vorschlagenden nicht unterstellen will, dies im Augen gehabt zu haben.

Schlusswort

Wenn aber die aktionistisch aufgeladene Atmosphäre eine differenzierte Aufarbeitung des gegenständlichen Problems nicht mehr möglich macht, wäre auch eine bewusste Unterstützung der Generica-Einsparungs-Linie der BGKK unter dem Titel „Heilmittelökonomie (Problem ACE-Hemmer)“ - Untertitel „Bessere Therapie zu einem besseren Preis“ - möglich. Dieser Vorgang würde im Sinne des Lutherschen Wortes „Sündige tapfer“ erfolgen. Dies bedeutet die Ärzteschaft versucht nicht die Intention des Partners so weit zu verwässern, dass ihm auch die von ihr unterstellte „falsche Kraft“ abhanden gekommen ist, sondern unterstützt das Anliegen mit großer eigener Kraft, um den unterstellten Irrtum, der zu erwarten ist, möglichst schnell und möglichst konturiert und für alle unleugbar sich entwickeln zu lassen. Wir hoffen, dass aus dieser Erhellung durch aktive Zulassung eines unterstellten Irrtums deutlich wird, dass eine schwierige Wirklichkeit zu gestalten etwas anders ist, als eine vorgestellte Realität durch rasches Tun zu erzwingen und damit zu banalisieren. Das alles enthebt uns aber nicht der Verantwortung für all das, was sich reversibel oder auch irreversibel aus diesem Tun ergibt. Sollten sich aus einer heilmittelökonomischen Vorgangsweise ein wie immer gearteter und auf dem Klagwege nachweisbarer Schaden für den Patienten ergeben, muss jedem Arzt klar sein, dass seine Haftung durch die Anführung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht um das geringste gemildert wird. Die Haftung bleibt immer bei uns unabhängig von der Zahl und vom gesellschaftlichen Prestige der Partner, mit denen wir der Heilmittelökonomie gerecht geworden sind. Wir verlassen eine wohldurchdachte und notwendige Distanz unserer Rolle im Gesundheitssystem zu der Rolle unserer Partner in diesem System. Diese Nähe ist Komplizenschaft, auch wenn sie mit dem Wort Solidarität schöngeredet wird. Wir vereinen uns alle zu einer Endstrecke eines monopsonistisch laufenden Preis/Bildungs-Prozesses mit dem Ziel ein nicht reglementiertes 10-%-iges Preisband zwischen Originalpräparat und billigstem Genericon noch weiter zu minimieren bzw. noch darüber hinausgehende Preissenkungen zu erzielen. Ohne von diesem Preis/Bildungs-Prozeß über die notwendige Sachkenntnis bzw. gar detaillierte Sachkenntnis zu verfügen. Wir verhalten uns also wie jemand, der einen Gesamtvertrag unterschreibt, von dem er nur die letzten 10 Prozent verstehen und daher beurteilen kann. Wir sind uns auch völlig darüber im Klaren, dass wir Ärzte in diesem „Generica-Förderungs-Modell auf Österreichisch“ die Drehscheibe sind, die den gesamten Informationsprozess und die damit verbundene zeitliche Beanspruchung Aug in Auge mit dem Patienten im wesentlichen zu tragen haben wird. Damit tragen wir auch alle Irritationen, die sich aus Missverständnissen in der Kommunikation mit unseren Patienten ergeben werden. Für genau diese Arbeit sollte der Arzt in diesem System belohnt werden. Daher die Ideen, wie sie sich in den diesbezüglichen Vertragsvereinbarungen widerspiegeln. Aber im Gegensatz zum Bild des Apothekers denkt ein Patient bei der Vorstellung eines Arztes noch nicht zu aller erst an die Kriterien und akzeptierten Gewohnheiten eines Geschäftsmannes. Es muss uns auch bewusst sein, dass zumindest die Gefahr besteht, im Rahmen eines solchen Projektes des Schulterschlusses in der Atmosphäre eines unterstellten luxurierenden Medikamentenverbrauches, nicht nur einerseits die erwünschte Optimierung durch stärkeren Generica-Einsatz resultieren könnte, sondern auch andererseits der Versuchung nachgegeben werden könnte dem allgemeinen Rationierungs-Druck zu erliegen oder sogar Rationierungs-Gewöhnung im Rollenverständnis der Ärzte Einzug halten könnte. Jeder wie immer erzielbare Einsparungs-Vorteil muss daher ausschließlich dem Patienten zugute kommen, indem sie damit mehr und bessere Medikamente bekommen sollen. Es war und wird immer Ziel der Ärzteschaft sein ihre Partner, Sozialversicherung und Patienten, davon zu überzeugen, dass hervorragend erbrachte medizinische Leistung auch ihren anzuerkennenden Preis hat. Jede Zuteilung eines Honorars aus dem Titel Medikamenteneinsparung bzw. Leistungsausweitung durch Medikamenteneinsparung lehnen wir als Funktionäre des Burgenländischen und des Österreichischen Hausärzteverbandes ab. Wir verlangen schließlich noch eine laufende transparente und auch öffentlich zugängliche Evaluierung der laufenden Ergebnisse und Konsequenzen für das Gesamtsystem, sowie eine Begrenzung dieses Projektes auf 1 bis höchstens 2 Jahre mit einer dann zwingend vorzunehmenden Analyse, unter Beiziehung unabhängiger Experten als Entscheidungsvorbereitung, für das weitere Vorgehen. Es wird daher für uns selbstverständlich sein im Falle des von uns nicht erwarteten Erfolges dieses und folgender Projekte den Initiatoren unseren vollen Respekt und Hochachtung auszusprechen und den nunmehr feststehenden eigenen Irrtum als solchen klar und deutlich einzubekennen. Wir empfehlen daher zu aller Letzt das geplante Projekt als teilnehmender Partner vollständig zu unterstützen, ohne formell Teil des anvisierten Projekt-Teams (GKK, Krankenhaus, PEMA-Firmen und Apotheker) zu werden.

Kontaktadresse:

Dr. Daniel Bidner
Eisenstädter Str. 21
7011 Siegendorf
Tel.: 02687/48281
Fax: 02687/48281-35