GRUNDSATZDEBATTE


Patientendaten werden von der Sozialversicherung seit Anfang 2000 personenbezogen und maschinenlesbar erfaßt. Was in den Vorgesprächen zur Chipkarteneinführung noch als völlig unbegründet hingestellt wurde, nämlich die Sorge um den "gläsernen Patienten", ist bereits Realität. Aus diesem Grund holte der ÖHV zu diesem Problem eine Rechtsmeinung ein.

Geschätzter Herr Doktor der Rechte!

Seit Anfang dieses Jahres haben sich elementare Veränderungen des Umganges der Sozialversicherung mit Patientendaten ergeben.
Da ist erstens der Beginn der Maschinenlesbarmachung der Versicherungsnummer
(= Patientenidentität)auf den Rezepten durch die Apotheker, die bis 2003 in ganz Österreich zwingend eingeführt sein wird, und zweitens "FOKU 2", das Folgekostenprogramm für Patienten.
Durch den Zusatz im Abrechnungsvertrag mit den Apothekern fließen ungebremst allmonatlich und NEU! maschinenlesbar, heißt bearbeitbar, folgende Informationen an die Kasse. Wer hat von welchem Arzt wann welches Medikament verordnet bekommen. Die Rekonstruktion relevanter Krankengeschichten ist mit diesen Informationen ein Leichtes.
Darüber hinaus Fragen wie: Wer sind die teuersten Patienten, wieviele "mittelalterliche" Frauen nehmen Hormone, wie viele Männer haben Prostatakrebs.......auf Knopfdruck zu beantworten.
Foku ist uns Ärzten wohlbekannt. Unter dem Titel FOKU 1 dokumentiert die OÖ-GKK die von ihren Vertragsärzten verursachten Folgekosten. (Spitalseinweisungen, Facharztzuweisungen, erhobene Befunde....)
FOKU 2, das fix fertig vorbereitet ist, wird die Kosten patientenbezogen erfassen
Um es noch einmal deutlich zu machen: Die Sozialversicherung hatte alle Daten schon bisher, auf Krankenscheinen, Rezepten, Zuweisungen, Einweisungen....Im Meer dieser Daten und der quartalweise hinzukommenden Datenflut lag der beste Datenschutz. Die lückenlose Erfassung dieser Daten ist neu, macht alles bearbeitbar, verknüpfbar, abrufbar....

JETZT DIE FRAGE AN SIE: Läßt sich aus der gesetzlich verankerten Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber seinen Patienten ein Grund ableiten- ja vielleicht sogar eine Pflicht, den Patienten von diesen geänderten Umständen in Kenntnis zu setzten.
Ich weiß, dass der Hauptverband äußerst empfindlich ist, wenn man dieses Thema anspricht. Dir. Probst sprach mir gegenüber von einem möglichen gerichtlichen Nachspiel, weil wir die Apothekenmeldungen in einer Pressekonferenz thematisierten.
Ich würde diese Information auch nicht bewerten wollen, weder "großer Fortschritt", noch "bedrohliche Neuerung", es scheint mir aber ein großes Interesse unsererseits zu bestehen, diese Schwächung der Wirksamkeit unserer Schweigepflicht, einer Basis unseres Selbstverständnisses, zur Diskussion zu stellen.
Ich stelle mir Patientenflugblätter vor, die wir den einzelnen Patienten persönlich übergeben und die auch gleich unseren Rechtsbeistand -in einer Fußnote- anführen.

Ich bitte um Ihre Stellungnahme, ob dieser Gedanke verfolgenswert erscheint.

Gruß und Dank Ihr Christian Euler, für den ÖHV.



Betrifft: Rechtsauskunft betreffend Aufklärungspflicht des Arztes

Sehr geehrter Herr Dr. Euler!


Ich danke Ihnen für Ihre Mailnachricht vom 6.8.2001 und darf zu dem darin aufgeworfenen Problem wie folgt Stellung nehmen wie folgt:

Grundsätzlich ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Patienten und dem Sozialversicherungsträger einerseits sowie dem Rechtsverhältnis zwischen dem Patienten und seinem Arzt andererseits klar zu unterscheiden.

Soweit der Sozialversicherungsträger zufolge der Maschinenlesbarmachung der Versicherungsnummer weitere Daten betreffend die Krankengeschichte des einzelnen Versicherungsmitgliedes erhält, betrifft dies ausschließlich das zwischen dem Sozialversicherungsträger und seinen Mitgliedern bestehende Rechtsverhältnis. Soweit im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses Daten aufgenommen, verarbeitet oder weitergegebenen werden, ist hierfür der Sozialversicherungsträger verantwortlich.

Was das zwischen dem Arzt und seinem Patienten bestehende Vertrauensverhältnis anlangt, so ist dieses stets im Zusammenhang mit den sonstigen Rechten und Pflichten des Arztes und des Patienten im Dreiecksverhältnis Arzt-Patient-Sozialversicherungsträger zu sehen. Im Rahmen dieses Dreiecksverhältnisses hat der Arzt dem Sozialversicherungsträger jedenfalls jene Daten mitzuteilen, die für eine ordnungsgemäße Abrechnung der medikamentösen und sonstigen Behandlungskosten erforderlich ist. Ob diese Mitteilung nun über Krankenscheine, Rezepte, Zuweisungen, Einweisungen etc. oder aber über automationsunterstützte Datencodes erfolgt, darauf hat der Arzt keinen Einfluß. Insbesondere kann er die Weitergabe von Daten bzw. die ungenaue Datenangabe gegenüber dem Sozialversicherungsträger nicht damit rechtfertigen, daß durch die Weitergabe von Daten in unzulässiger Weise in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient eingegriffen würde.

Werden die von den Ärzten an die Sozialversicherungsträger weitergegebenen Daten vom Sozialversicherungsträger in zweckwidriger Weise, insbesondere zum Nachteil des Patienten, verwendet, so hat der Patient ausschließlich die Möglichkeit, gegenüber dem Sozialversicherungsträger die gesetzlich vorgesehenen Schritte zu unternehmen. Der den Patienten behandelnde Arzt hat in diesem Zusammenhang weder Aufklärungspflichten noch könnte er gegenüber den Sozialversicherungsträgern die Rechte des Patienten auf Schutz seiner personenbezogenen Daten geltend machen.

Eine Pflicht des Arztes zur Aufklärung des Patienten darüber, daß seine Daten nunmehr automationsunterstützt erfaßt und an den Sozialversicherungsträger weitergegeben werden, bestehen nach § 24 Abs 1 Datenschutzgesetz. Danach ist eine von einer Datenermittlung betroffene Person in geeigneter Weise über den Zweck der Datenanwendung, für die die Daten ermittelt werden, zu informieren.

Die aus dem Datenschutzgesetz ableitbare Pflicht des Arztes beschränkt sich im wesentlichen darauf, dem Patienten mitzuteilen, welche persönlichen Daten erhoben werden und was mit diesen Daten in der Folge geschieht. Soweit diese Daten an den Sozialversicherungsträger weitergegeben werden, empfiehlt es sich, die Patienten darüber zumindest in Kenntnis zu setzen. Da die Weitergabe der Daten im Rahmen des öffentlichen Zweckes der Sozialversicherungsträger erfolgt, kann diese vom Patienten nicht untersagt werden.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auskunft behilflich gewesen zu sein und verbleibe,

mit freundlichen Grüßen


Markus Lechner