GRUNDSATZDEBATTE


Ansichten eines Clowns

Ein ganz wesentlicher Therapiebestandteil in Viktor Frankls Logotherapie ist die „paradoxe Intention“.
Dies bedeutet: Der Patient soll sich gerade das wünschen bzw. vornehmen, was er bis dahin am meisten gefürchtet hat.

Ich fordere daher die österreichischen Ärztinnen und Ärzte auf, mit paradoxer Intention auf die 1,5 Milliarden Schilling Forderung der Sozialpartner und des Sozialministeriums positiv im folgenden Sinne zu reagieren.

Ja, die österreichische Ärzteschaft ist angesichts ihrer Erfahrung mit einem seit Jahrzehnten erstarrten, unbeweglichen und in inneren Widersprüchen verhedderten Gesundheitssystems und im Bewusstsein, dass das Reformfenster für grundlegende Veränderungen nicht sehr lange offen bleiben wird, bereit, sich die Gesundheitsreform buchstäblich zu kaufen.

Wir bieten den Sozialpartnern 750 Millionen Schilling für grundlegende Reformen im Gesundheitssystem, so wie sie im Folgenden dargestellt werden.

1. Schaffung eines gesundheitspolitischen Gesamtrahmens mit fiskalischer     Gesamtbetrachtung in der Kompetenz eines durch Wahlen legitimierten politischen     Entscheidungsträgers, z. B. eines Ministers für Gesundheit. Ob die Selbstverwaltung     überhaupt eine oder sogar die wesentliche Rolle spielen soll, muss nach rein sachlichen     Abwägungen entschieden werden.
2. Versicherungspflicht vrs. Pflichtversicherung ist ohne Tabus zu prüfen und das     Vernünftigere zu wählen, selbstverständlich auf der Basis eines sozialen und solidarischen     Geistes.
3. Der Patient muss in diesem System eine neue aktive Rolle spielen mit Wahl- und     Entscheidungsfreiheiten auf der Basis einer individuell abgestuften Selbstbeteiligung.
4. Kostenwahrheit im Sozialversicherungsbereich ohne Wenn und Aber und ohne jegliche     Tricks mit völliger Transparenz und in der Kontrolle durch den Rechnungshof.
5. Honorartarif-Festsetzung für das gesamte Bundesgebiet, wobei die Bundesländer     ungleiche wirtschaftliche Bedingungen mit sich daraus ergebenden Vor- und Nachteilen     solidarisch untereinander ausgleichen.
6. Ermöglichung von Gruppenpraxen als freie, leistungsfähige Assoziationsmöglichkeiten     ohne jede Einschränkung, bis auf eine vernünftige zahlenmäßige Limitierung der     Praxisteilnehmer. Entscheidend darf nicht sein, wie sehr Ärztekammer und     Sozialversicherungsträger ihre Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf diese Assoziation     wahren können, sondern entscheidend muss sein unter welchen Rahmenbedingungen     können diese Gruppen im Netzwerk der Gesundheitsversorgung optimale Arbeit leisten.     Ein definierter Evaluationszeitraum ist einzuräumen, um Gesamtauswirkungen,     insbesondere aber auch finanzielle Auswirkungen auf das Gesamtsystem zu überprüfen.
    Dieser gebotene Betrag (750 Millionen Schilling) entspricht dem Brauch sich auf halbem     Wege zu treffen. Tatsächlich aber ist es nur die Spitze eines Geldberges, den die     Ärzteschaft in den vergangenen Jahren bereits als Akontozahlung in die Sozialversicherung     ohne jede Gegenleistung schon eingebracht hat und in der Logik der zukünftigen     Entwicklung im Gesundheitssystem noch einbringen wird. Im Folgenden einige Beispiele     ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

§ In den Jahren von 1979 bis Ende 2000 zahlte der Berufsstand der Ärzte
7 Milliarden Schilling mehr in die Pensionsversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft ein als an Ärzte und deren Angehörige an Pensionsleistungen ausbezahlt wurde. Dieser Überschuss ist ohne jede Berücksichtigung einer Verzinsungsmöglichkeit dieser gewaltigen Summe in immerhin 20 Jahren berechnet.
Weitere 7 Milliarden Schilling oder mehr werden in den kommenden 20 Jahren in das Pensionssystem der Gewerblichen Wirtschaft eingezahlt werden, ohne dass dem eine Gegenleistung gegenüberstehen wird, sollte der diesbezüglich eingebrachten Massenklage vor dem Verfassungsgericht kein Erfolg beschieden sein. Selbst im Erfolgsfall bliebe aber wieder eine beträchtliche „Subvention“ übrig.
§ Ca. 3 Milliarden Schilling investierten Österreichs Ärzte während der vergangenen
10 Jahre in EDV-Ausstattungen ihrer Ordinationen. Laut Angaben der
EDV-Wirtschaft beträgt der wirtschaftliche Nutzen dieser Investition durch Rationalisierungsmöglichkeiten 20 % für den investierenden Ordinationsinhaber und 80 % für seinen Vertragspartner Sozialversicherung. Österreichs Ärzte haben also in den letzten 10 Jahren mehr als 2 Milliarden Schilling in die Ärzteverrechnung der Sozialversicherung eingebracht.
Ein höherer Betrag ca. 3 Milliarden Schilling wird in den nächsten Jahren nochmals zu den gleichen Bedingungen investiert werden, einerseits von den noch nicht „datenverarbeitenden Kollegen“, andererseits durch Nachrüstungen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen es gäbe keinen sachlichen Grund der Forderung der Sozialpartner, insbesondere unter Berücksichtigung dieser schon erbrachten Vorleistungen, zu entsprechen. Denn wir wissen nur allzu gut aus der Vergangenheit, dass wir immer wieder unsachlichen Forderungen zur Rettung einer harmonisch-partnerschaftlichen Atmosphäre letztlich kläglich nachgegeben haben. Zunächst großes aktionistisches Getöse der Ärztekammer und unglaublich hochgespielte Erregung über ganzseitige Zeitungsinserate, nur um dann nach angemessener Zeit ganz still und leise der Forderung nachzukommen ohne irgendeine oder mit einer unangemessenen Gegenleistung.

Schluss damit, drehen wir den Spieß um! Noch einmal: Leute, wir kaufen uns die Reform. Ein Raunen geht durch die Reihen: Wir kaufen die Reform! Ein gewaltiger Chor schwillt an im Land: Wir kaufen uns die Reform ... !!!
Wir werden kaum mehr die Möglichkeit haben, unsere Zukunft so billig und mit solch einer Chance auf Nachhaltigkeit zu erwerben. Ganz zu schweigen vom medialen und öffentlichen Interesse, das diesem völlig unerwarteten, eben paradox intendierten Paukenschlag eigentlich entgegengebracht werden müsste. Diese Investition in unsere Zukunft soll ausschließlich der Bevölkerung und unseren Patienten die Ernsthaftigkeit unseres Interesses an einer umfassenden Gesundheitsreform dokumentieren. Wir erwarten ausnahmslos eine ernstgemeinte, grundlegende und den Kriterien der Vernunft und nicht der Machtpolitik unterworfene Reform ohne Tabus als Gegenleistung.

Hat Sie der Clown provoziert? - der Clown spricht mir aus der Seele! - der Clown verzapft Unsinn! Nehmen Sie Stellung! Antworten Sie dem Clown!

Kontaktadresse:

Dr. Daniel Bidner
Eisenstädter Str. 21
7011 Siegendorf
Tel.: 02687/48281
Fax: 02687/48281-35